Menschen in großer Not, hilflos auf der Straße:
Ein Land braucht dringend eine Welle der Hilfsbereitschaft
von Andreas Klamm, Journalist
London / Ludwigshafen. 27. November. 2006. Die Menschen, sind arm, bettelarm, in Not, verletzt, krank, hungernd und frieren. Einige von ihnen riechen übel, konnten sich mehrere Wochen nicht mehr richtig waschen und sehen ungepflegt und verwildert aus. Diese Menschen, von denen ich berichte sind zudem hilfslos. Am vergangenen Mittwoch war ich keine zwei Stunden im Land als ich erneut Zeuge eines tragischen Einzelschicksales wurde.
Doch wo spielt sich diese große Not ab? In Afrika oder in Asien? Daher kennen wir die Bilder von unerträglicher Not bereits seit Jahrzehnten. Nein, die neue große Not, spielt sich mitten im Land des international offiziell anerkannten "Export-Weltmeister" Deutschland ab, in einer mittelgroßen Stadt mit etwa 160.000 Einwohnern, der es einmal gut ging: In Ludwigshafen am Rhein. Heute ist die Haushaltslage der Stadt Ludwigshafen am Rhein hochdefizitär. Doch frage ich mich, ob dies in dieser Welt, wahrlich dazu führen muss, dass Menschen im Herzen von Deutschland, hilflos auf der Straße liegen und in Lebensgefahr geraten müssen.
Am Bahnhof in Ludwigshafen von meinem Flug aus der Weltstadt London in England angekommen, ich war dort um einen Arbeitsplatz zu finden, wurde ich am späten Mittwochabend gegen 22 Uhr erneut Zeuge wie es dem Mann Jürgen K. richtig schlecht geht.
Er kann sich kaum artikulieren, fällt am eiskalten Steinplatten-Boden im Bahnhof der Stadt umher und hat eine große Platzwunde über seinem rechten Auge. Es fällt mir zunächst schwer überhaupt mit dem Mann Kontakt aufzunehmen, um zu erfahren, was geschehen ist. Der am Boden liegende, blutende Mann hat Probleme klare, verständliche Angaben zu machen. Er kann sich nicht daran erinnern, was geschehen ist.
Der Gastwirt des Bahnhofs-Restaurants ist zunächst mindestens ebenso verzweifelt und wirkt hilflos betroffen, wie ich. Doch er handelt und ruft die Nummer des Rettungsdienstes 19222. Nach einer Zeit gelingt es mir, mich mit dem über 50 Jahren alten Jürgen K. zu verständigen. Ob er gefallen ist und damit sich die Kopfplatzwunde über der rechten Augenbraue zugezogen hat kann ich weiterhin nicht in Erfahrung bringen. Immerhin gelingt es mir etwas mit dem Mann in Not zu sprechen und ihn zu bitten, keine überhastigen Bewegungen zu machen, um etwa weitere Stürze zu verhindern. Sein Puls, ich konnte diesen messen, ist 104, schnell, rythmisch doch noch gut tastbar. An der Einkaufstasche des Mannes befindet sich Blut. Ich versuche eine Inspektion. Weitere schwere körperliche Verletzungen kann ich nicht sehen und im Bewegungsprofil des Mannes nicht erkennen.
Da ich in meinem kleinen Reise-Gepäck leider keine Notfall-Ausstattung mit mir führe, wie ich diese im Auto habe, kann ich leider die Wunde über seinem rechten Auge nicht versorgen. Alles was ich in meiner eigenen Hilfslosigkeit ohne eine erste Hilfe-Ausstattung tun kann: Gespräche mit dem Mann zu führen, ihm zu versichern, dass die Kollegen (ich bin selbst Rettungssanitäter und Gesundheits- & Krankenpfleger) in kurzer Zeit eintreffen werden und weitere Stürze versuchen zu verhindern.
Aus der Aldi-Plastik-Tragetasche des Mannes in Not, gelingt es irgendwie ein kleines "Notbehelfs-Kopfkissen" zu basteln. Jürgen K. nimmt die Hilfe an. In der Begleitung in Gesprächen erfahre ich von Jürgen K., dass er als obdachloser Mensch auf der Strasse lebt. "Kennen Sie das Heim für obdachlose Menschen am Rheinufer", frage ich ihn? Jürgen K. ist nicht in der Lage alle Informationen aufzunehmen. Er ist hilflos und wirkt zeitweise im Wechsel aphatisch und später wieder etwas agitiert.
Als nach einer Weile der Rettungsdienst eintrifft, kostet es einen engagierten Rettungsdienst-Mitarbeiter des Arbeiter-Samariter Bundes eine Mühe den hilflosen Mann dazu zu überreden, dass er sich helfen lässt. Dem verletzten Mann erscheint, die Vorstellung in das Krankenhaus zu müssen, mit Problemen verbunden. "Es gibt niemanden, der für die Kosten zahlen kann...", erfahren wir. "Die Wunde muss genäht werden, sonst kann es zu einer schweren Infektion kommen.", überredet behutsam der Rettungsdienst-Mitarbeiter den verletzten Mann.
Nach einer Weile, nach dem wir Jürgen K. erklären konnten, dass diese Wunde über seinem rechten Auge nicht harmlos ist", willigt er ein zur Hilfe-Leistung. Dabei wird die Hilflosigkeit, in der sich der arme Mann befindet, allerdings diese von ihm selbst nicht erkannt wird, erneut deutlich. Er ist nicht in der Lage alleine aufzustehen. Einer der Mitarbeiter des Rettungsdienstes und ich helfen dem Mann in Not aufzustehen und führen diesen zum Rettungswagen. Er ist kaum dazu fähig einen Schritt vor den anderen zu tun und ist sehr unsicher beim Gehen.
Währenddessen bereitete der zweite Rettungsdienst-Mitarbeiter den Rettungswagen vor, damit der Hilflose, der seine eigene Hilflosigkeit nicht erkannt und zunächst nicht zugeben wollte, gut und fachgerecht versorgt werden kann.
"Der Mann wird voraussichtlich in das städtische Klinikum zum Nähen der Wunde gebracht." kann ich erfahren und entgegene "vielleicht hat der behandelnde, diensthabende Arzt eine gute Idee, wo der Mann in der Nacht schlafen kann. Gut wäre es, wenn er im Krankenhaus bleiben darf."
Es ist frostig und eisig kalt. Wäre Jürgen K. am Bahnhof nicht durch den helfenden Gastwirt gefunden worden, hätte die regionale Zeitung in der Stadt wieder über ein weiteres Opfer in einer Nacht berichten müssen, das mitten in Deutschland erfroren ist.
Mit dieser neuesten Erfahrung glaube ich und appeliere an jeden, der diesen Beitrag liest: Deutschland braucht eine Welle der Hilfsbereitschaft. Nicht nur für die Menschen in Asien und in Afrika. Es ist gut, wenn den Menschen dort geholfen wird.
Doch ich bin mir inzwischen auch sicher, dass die Hilfsorganisationen und alle Menschen in Deutschland auch für die Menschen tätig werden müssen, die im eigenen Land, etwa durch Krankheit, Drogenabhängigkeit, Behinderung, Überschuldung, Hartz IV, Scheidung, Unfall, Vereinsamung, Obdachlosigkeit oder gleich aus welchen Gründen auch immer in Deutschland in schwerste Not geraten.
Dieses Land braucht nicht in jedem Herbst und Winter die Schlagzeilen, dass Menschen in Deutschland verhungern und erfrieren, weil sie hilflos sind. Wenn Kommunal- Landes und Bundespolitiker so tun als gebe, es diese Probleme in Deutschland nicht, dann ist dies Selbstbetrug und eine Lüge.
Es wird sich der Tag offenbaren, an dem auch Touristen in Deutschland, mehr und mehr Zeuge von allerschwerster Not in Deutschland werden können. Dabei muss die Frage erlaubt sein, wie es möglich ist, dass diesen Menschen im Land des "Export-Weltmeisters" Deutschland nicht geholfen werden kann? Diese Frage, werden auch die Menschen in anderen Ländern stellen.
Liegt es etwa daran, dass wir kalt und verbittert in unseren Herzen sind? Meine Hoffnung ist, dass dem nicht so ist.
Deutschland braucht eine Welle der Hilfsbereitschaft, die von oben von der Oberschicht und von der Basis in der Unterschicht zugleich ausgehen kann. Wir brauchen Menschen, die ihrem Herzen bewegt sind und in der Tat und Wahrheit mit Liebe helfen, den armen Menschen in fernen Ländern und den armen Menschen im eigenen Land.
Jürgen K., rund 50 Jahre alt, ist einer dieser Menschen, die unserer Hilfe bedürfen. Doch die Zahl der Menschen im Land, die sich in schweren Notlagen befinden, steigt täglich. Jürgen K. ist kein Einzelfall.
Die Meldungen über weitere geplante Massen-Entlassungen, großer Unternehmen in Deutschland, die Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaften konnten, betrachte ich mit großer Sorge. Denn mit den Massen-Entlassungen wird die Zahl der Menschen steigen, die von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) leben müssen. Die Einkünfte reichen auf Dauer nicht, bei wachsenden Kosten für Mieten und der geplanten Mehrwertsteuer-Erhöhung ab 2007. Das führt dazu, dass die Geschichte des Jürgen K. kein Einzelfall bleiben wird und es bereits heute leider nicht mehr ist.
Es gibt viele Menschen, die auch in Deutschland schwerste, nicht zu verstehende Not leiden. Nicht zu verstehen deshalb, weil es dem Land Deutschland doch so gut geht. Deutschland ist kein sogenanntes Entwicklungland, zumindest nicht in finanzieller und materieller Betrachtungsweise. Wie ist es dann möglich, dass es einer stetig wachsenden Zahl von Menschen so schlecht geht in Deutschland? Kaum ein Mensch will davon etwas hören, noch wissen. Doch es ist Zeit, das Schweigen zu brechen.
Es ist allerhöchste Zeit, dass in Deutschland eine Welle der Hilfsbereitschaft für arme und schwache Menschen in fernen Ländern und im eigenen Land losgelöst wird, die auch Menschen mit Hilfe barmherziger anderer Menschen erfasst, die aus welchen Gründen auch immer, durch die "sogenannten sozialen Sicherungssysteme" durchfallen. Diese sozialen und staatlichen Netze genügen nicht mehr den Anforderungen, wofür die Namen der Systeme stehen.
Vielleicht müssen sich Politiker, Spitzen-Führungskräfte, Manager, ja wir alle in der Oberschicht, im Mittelstand und in der Unterschicht, Gedanken darüber machen, ob es als gerecht zu sehen ist, wenn einzelne Menschen in Spitzenpositionen 150.000 Euro im Monat wegen "einer hohen Verantwortung" verdienen, während Menschen, wie Jürgen K. noch nicht einmal 1.50 Euro im Monat zum Leben und zum Überleben bleibt.
Der einfache Feuerwehr-Beamte oder die Krankenschwester oder der Krankenpfleger in der Unterschicht an der Basis trägt im Dienst eine ebenso hohe Verantwortung für ein Menschenleben, wie hochbezahlte Führungskräfte. Doch es liegt nicht im Verschulden der Krankenschwester etwa, wenn Führungskräfte in ihrem Führungsauftrag versagen und dadurch die Pflegerin oder der Pfleger seinen Arbeitsplatz verliert oder auf Gehalt verzichten können soll bei ohnehin bereits nicht angemessener und schlechter Bezahlung.
Doch wer denkt, die Not von Menschen, wie Jürgen K. gehe ihn nichts an, irrt gewaltig. Wir alle, jeder einzelne von uns, ist nach seinen Möglichkeiten dafür verantwortlich, schwerste Not und den Tod von Menschen in diesem Land zu lindern und zu verhindern. Sonst begehen wir, dem Gesetz nach, unterlassene Hilfeleistung und diese ist auch nach deutscher Rechtsprechung strafbar.
Worte alleine und Berichte, wie diese genügen, nicht mehr. Sie können nur Teil einer neu entstehenden Welle der Hilfsbereitschaft der Menschen in Deutschland sein. Der bevorstehende Winter und das Weihnachtsfest im christlichen Abendland in Deutschland sind genau der richtige Zeitpunkt, um mit einer bundesweiten Aktion "Hilfe für die Nächsten in Not" zu beginnen.
Es ist allerhöchste Zeit mit Liebe, in der Tat und in der Wahrheit zu handeln und sofort zu helfen! Bitte verschliessen Sie nicht ihre Augen und Ohren vor größter Not und Leid ! Möglicherweise werden sie eines Tages froh sein, wenn andere Menschen, nicht die Augen und Ohren in Gleichgültigkeit vor ihren Hilfe-Rufen, verschliessen.
BITTE HELFEN Sie ab heute, jeder noch so kleine Hilfs-Beitrag ist im Gesamten wichtig!
Redaktioneller Hinweis:
Diesen Beitrag können Sie auch im Internet abrufen: http://pressemitteilung.ws/node/102362